Kirchenkreis Halle/Saalkreis, Superintendent Hans-Juergen Kant
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Wo lässt sich Weihnachten entdecken? Ich laufe heute Morgen durch unsere Wohnung. Vorbei an Geschenkpapier, das in der Diele bunt durcheinander liegt. Kaffeeduft lockt mich in die Küche. Hinter der Wohnzimmertür weiß ich den Weihnachtsbaum. Noch darf niemand hinein.
Am Vormittag setze ich mich noch einmal an die Predigt. Die alte Geschichte, die heute Abend im Mittelpunkt steht, ist so gar nicht idyllisch: Die Türen für Joseph und seine hochschwangere Frau Maria bleiben in Bethlehem verschlossen. „Wir können keinen mehr aufnehmen!“ Hinter der einzigen Tür, die sich öffnet, findet sich nur ein zugiger Stall. Hier wird das Kind geboren: auf Heu und auf Stroh. Hier lässt es sich entdecken von Hirten und von Weisen, die darüber froh werden.
Am Nachmittag geht es nach Raßnitz. Ich freue mich auf die Kinder, die ein Krippenspiel eingeübt haben. Die Michaeliskirche wird gut gefüllt sein. Vielleicht ist das schon ein Wunder: dass Nachbarn miteinander auf der Kirchenbank sitzen, eine Verkäuferin und ihr Kunde, der Polizist neben dem Verkehrssünder, die Zeitungsredakteurin neben dem Leserbriefschreiber, die Mitarbeiterin des Finanzamtes einhellig mit dem säumigen Steuerzahler.
Zurück nach Halle. In die Bahnhofsmission. Dort werden wir Weihnachtslieder singen. Unter den Besuchern sind manche, die aus traurigen Verhältnissen kommen, die an diesem Abend sonst niemanden zum gemeinsamen Feiern haben oder denen womöglich ein Obdach fehlt.
Um halb sieben geht es in die Marktkirche. Die Menschenmassen sind nach drei großen Christvespern längst von dannen. Aber wenn Kantor Peyrot jetzt noch einmal die Orgel erklingen lässt für uns, die wir immer noch das Weihnachtsgeheimnis suchen, wird sich der Himmel öffnen. Gleich wird ein Engel durch das hohe spätgotische Gewölbe der Marktkirche fliegen und uns zurufen: Fürchtet euch nicht! Gott ist Mensch geworden. Es ist Heil auffindbar in der unheilen Welt.“
Dann werde ich meinen Talar in die Tasche packen und vorbei an erleuchteten Fenstern durch die Stadt nach Hause laufen. Gleich wird bei uns ein Glöckchen läuten und sich die Tür zum Weihnachtszimmer öffnen. „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“, werden wir singen. Und im Schein der Lichter werde ich etwas von dem Weihnachtswunder ahnen, und für einen Moment spüren, dass alles, alles gut wird.