Kirchenkreis Halle/Saalkreis, Superintendent Hans-Juergen Kant
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09.10.2024
Im Anschluss an das offizielle Gedenken des Terroraktes vom 9. Oktober 2019 versammelten sich hunderte Menschen am Fuß der Marktkirche. Gemeinsam bekundeten sie öffentlich ihre Trauer und Anteilnahme und zeigten, "die Wunde sitzt tief in der Halleschen Stadtgesellschaft", wie Landesbischof Friedrich Kramer heute in einer Pressemitteilung schrieb.
Zu diesem finalen Moment im stadtweiten Gedenken hatten die Stadt Halle (Saale), die Jüdische Gemeinde sowie der Evangelische Kirchenkreis Halle-Saalkreis gemeinschaftlich eingeladen. Begleitet vom Spiel des Carillons sowie der Bläser auf den Hausmannstürmen wand sich Superintendent Hans-Jürgen Kant mit seinem geistlichen Impuls und Gebet (s.u.) an die Trauernden. Abschließend setzte der geistliche Leiter des Kirchenkreises gemeinsam mit Max Privorotzki (Jüdische Gemeinde Halle) und Bürgermeister Egbert Geier mit dem Entzünden ihrer Kerzen die ersten Lichtpunkte im Meer der Trauerlichter. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Dr. Josef Schuster, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schlossen sich den dreien an, bevor das Geoskop für die Anwesenden frei gegeben wurde.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
uns treibt heute Abend die Erinnerung auf den Marktplatz unserer Stadt. Wie gut, dass wir miteinander hier stehen: Wir erinnern uns an Jana und Kevin, an den Terroranschlag auf die Synagoge im Paulusviertel, an den Überfall im Kiez-Döner, an die beiden damals schwer Verletzten in Wiedersdorf.
Plötzlich hatte sich der Tag verdunkelt. Angst und Erschrecken herrschten bei denen, die gerade noch davongekommen waren. Auch bei uns.
Und doch, auch vor 5 Jahren schon ein Wunder: Die Eichentür hielt. Menschen waren da. Sie zeigten Mitgefühl, Solidarität. Halfen, wo sie konnten. Der Marktplatz war lange Wochen ein Ort des Gedenkens. Unsere Marktkirche ein Ort des Gebets.
Ich will den Worten der Bibel trauen: „Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“ So schreibt es der Prophet Jesaja. (8,23a)
Solange wir uns erinnern, wird nichts verschwinden, niemand wird vergessen.
Es bewegt uns aber auch die Sorge: Was wird aus unserer Stadt, unserer Welt, in der solche Untaten wie die am 09. Oktober 2019 geschehen?
Meine Hoffnung ist: Die Dunkelheit wird immer wieder besiegt, solange wir ein Licht entzünden: Mit unseren Worten, mit unserm Tun und unseren Gesten. Die Dunkelheit wird weichen, wenn wir zusammenrücken in unserer Stadt, die so vielfältig ist: mit Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, mit „Schulen ohne Rassismus“, mit den Studierenden, den Salzwirkern, mit Theater und Opernhaus, mit den Franckeschen Stiftungen und ihren Angeboten. Und nicht zuletzt mit Menschen, die ihren Glauben in einer Synagoge feiern, was für ein Schatz für uns. Mit Menschen, die ihr geistliches Zuhause haben im Islamischen Kulturzentrum oder in einer der vielen Kirchen unserer Stadt.
Alle gehören dazu, jeder, so wie er ist. Es tut mir gut, in großer Vielfalt mit Ihnen allen beisammen zu sein. Natürlich gibt es auch unterschiedliche Interessen und Konflikte. Aber bitte: Kulturvoll, im Dialog ausgetragen!
Es ist die Vielfalt – sie macht unsere Stadt offen und lebenswert. Die gelebte Vielfalt, sie trägt zu dem bei, was der Prophet verheißt: „Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind.“ (Jes. 8,23a) Amen.
Ich lade Sie ein, mit mir zu beten:
Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott, wenn wir uns heute an die Ereignisse vor 5 Jahren erinnern.
Bewahre, Gott, in deinem Frieden Jana und Kevin. Sie sind aufgehoben bei dir. Wir werden sie nicht vergessen.
Behüte, Gott, alle Menschen, die sich mutig einsetzen für eine offene Stadt, für den Dialog, für ihren Nächsten, auf der Suche nach Frieden und Versöhnung.
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, du lässt niemanden allein. Du begleitest uns auf den Wegen, die vor uns liegen.
Amen.