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Evangelischer Kirchenkreis Halle-Saalkreis

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19.08.2018

Mici, Sarmale, Offenes Mikro und GoSpiRo – Eine Fahrradtour zur 18. Kirchennacht

Kirchenredakteur Thorsten Kessler von SAW hat´s im Vorfeld gemacht, einige Konfis haben es fest eingeplant und für viele Gäste ist es schon fast zur jährlichen Tradition geworden: die Fahrradtour zur HALLESCHEN NACHT DER KIRCHEN (NDK). Die Kirchennacht bietet mit ihren mehr 50 beteiligten Kirchen einen idealen Rahmen, gibt es doch ausreichend Stationen zum Rasten und Innehalten. Grund genug in einem „Selbstversuch“ auf zwei Rädern zu testen, was man bei solch einer Radtour alles erleben kann.

Jazzige Interpretationen auf höchstem Niveau

Sie war zu beneiden, die Fahrradgruppe der Konfis, die gemeinsam mit Pfarrer Helmut Becker und einigen Teamern den Berg hinabrollte. Im zweiten Gang, also gefühlt fast stehend, trete ich in entgegengesetzter Richtung in die Pedalen. Obwohl es schon kurz vor 18 Uhr ist, hat die Sonne kein Mitleid und brennt unaufhörlich. Schweißgebadet erreiche ich die erste Station meiner Tour: die Kröllwitzer Petruskirche.

Es ist fast schon Tradition, dass Musikerin Almuth Schulz in dem Gotteshaus oberhalb der Saale ihr Konzert zur Kirchennacht gibt. Unter den 75 Besucherinnen und Besuchern finden sich daher auch viele Stammgäste, die alljährlich auf dieses Konzert hinfiebern. Gemeinsam mit Juliane Gilbert interpretiert Almuth Schulz diesmal klassische und moderne Werke: Mal still und kaum hörbar, mal instrumentalgewaltig und raumerfüllend. Interessante Arrangements für Cello und Piano, denen ich leider nicht länger folgen kann, will ich meine Rundfahrt wie geplant durchführen. Also verlasse ich das - von der Abendsonne goldgetränkte - Gotteshaus und mache mich auf den kraftzehrenden Weg nach Halle-Mötzlich.

Stärkung für Leib und Seele

Anfangs noch froh zu Beginn der zweiten Etappe auch in den Genuss einer Abfahrt zu kommen, zeigt sich schnell, wie hügelig der hallesche Norden ist. Vorbei an der Burg Giebichenstein und den Trothaer Gartenanlagen, weiter zur JVA "Frohe Zukunft" und der gleichnamigen Endstation der Straßenbahn 1, führt mich mein Weg nach 20 Minuten in die St. Pankratius-Kirche. Das Gotteshaus in Mötzlich ist bereits seit mehreren Monaten auch Heimstadt für die Rumänisch-Orthodoxe Gemeinde. Deren Mitglieder haben zur diesjährigen Kirchennacht die sowohl räumliche als auch inhaltliche Ausgestaltung der NDK übernommen.

Schon beim Gang durch die offene Kirchentür riecht man den Weihrauchduft. Im Altarbereich sind Ikonentafeln aufgestellt. Fünf Männer ziehen zu den Bildnissen und singen geistliche Musik in unbekannter Sprache. Knapp 50 Gäste verfolgen den rumänisch-orthodoxen Gottesdienst. Viele gehören zur Gemeinde, einige sind aber auch aus Interesse in die Mötzlicher Kirche gekommen. In der Zeremonie offenbart sich ein wichtiges Element der NDK. Liturgische Besonderheiten in Gebet, Gesang und Verkündigung verdeutlichen den Facettenreichtum christlichen Glaubens und Gemeindelebens. Die spirituellen Elemente sind von Beginn an ein unverzichtbarer Bestandteil der Kirchennacht. Ob, wie hier im rumänisch-orthodoxen Gottesdienst, in Taizé-Gesängen, Eucharistiefeiern oder Nachtgebeten, es sind diese, für jedermann offenen Formate, die die NDK von anderen nächtlichen Angeboten unterscheidet.

Von all dem, was im Gotteshaus abläuft, bekommt Petronella Stoica nichts mit. Die junge Frau gehört zur Rumänsich-Orthodoxen Gemeinde und kümmert sich am heutigen Abend um das leibliche Wohl der Gäste. Bereits seit dem frühen Morgen kocht, brät und arrangiert Petronella Stoica gemeinsam mit einigen anderen Gemeindegliedern siebenbürger Köstlichkeiten. Immerhin werden 100 Gäste erwartet und die wollen erst einmal versorgt sein.

Auch das ist Teil der rumänisch-orthodoxen Tradition. „Vor dem [Ergänzung der Red.: sonst morgendlichen] Gottesdienst essen wir nichts, erst nach der Feier versammeln wir uns alle zum gemeinsamen Essen.“, berichtet Petronella. Während sie ein Mici (eine Art Fleischöllchen aus Schwein-, Lamm- und Rindfleisch) nach dem anderen in ihren Händen rollt, erzählt sie weiter: „Sonst bringen aber die Gemeindeglieder das Essen mit. Der Tisch ist dann voll mit Speisen. Jeder ist eingeladen, ob er nun etwas mitgebracht hat oder nicht.“ Dass die junge Frau heute die Mici oder die lecker duftenden Sarmale, eine Art säuerliche Kohlroulade, in solch großen Mengen fast alleine zubereitet, ist der Kirchennacht geschuldet. Und während der Gottesdienst in der Pankratiuskirche sein Ende findet und die Kohlen des angeheizten Grills langsam zu glühen beginnen, geht es für mich weiter in Richtung Innenstadt.

Offenes Mikro und defekte Orgel

Ein sichtlich gutgelaunter Friedhelm Kasparick, Pfarrer in der Pauluskirche, erzählt mir, was ich schon alles verpasst habe. Die Gemeinde hat bewährtes Format des zurückliegenden Jahres aufgegriffen und ein „Offenes Mikrophone“ angeboten. Dabei handelt es sich nicht um ein Angebot für technikbegeisterte Bastler. Es sollen vielmehr präsentationswillige Kulturschaffende damit angesprochen werden. Ob selbst gedichtet, komponiert oder fremdes interpretiert, das „Offene Mikro“ lädt alle, die Lust haben dazu ein, selbst einmal ins Rampenlicht zu treten und auf der Bühne Texte oder Musikstücke darzubieten. „Die erste Runde wurde gut angenommen.“, erzählt Friedhelm Kasparick.

Mittlerweile haben sich die Gäste aber auf der Orgelempore versammelt. KMD Andreas Mücksch spielt zwei kurze Stücke auf dem Instrument und wendet sich dann an die applaudierenden Zuhörerinnen und Zuhörer: „Und jetzt stellt Euch mal vor, wie das klingen würde, wenn das Instrument nicht kaputt wäre.“ Interessiert verfolgen die Gäste den Ausführungen des Pauluskantors zur Geschichte der Orgel und den notwendigen Umbauarbeiten. Diese wurden notwendig, um den instrumentalen Ansprüchen der heutigen Zeit gerecht zu werden. Einige Mutige nutzen die Gelegenheit und wagen sich auch auf die Leiter, um einen Blick in das Innere der Orgel zu werfen. Im Gegensatz zu ihnen, zieht es mich aber wieder nach unten. Im Anbruch der Dämmerung mache ich mich auf den Weg zur Laurentiuskirche, unweit des botanischen Gartens.

Laurentius – KunstForum und Sommerserenade

Vor der Laurentiuskirche hat das KinderKunstForum Tische aufgebaut, auf denen allerlei Bastelutensilien zu finden sind. Mit konzentrierten Blicken wird geklebt, zusammengesteckt und bemalt. Lediglich ein Mädchen schaut durch ein geöffnetes Fenster in den Kirchraum, aus dem Chormusik nach draußen dringt.

Unter der Leitung von Uta Fröhlich hat die Laurentiuskantorei eine Sommerserenade für den heutigen Abend einstudiert. Mal a capella, mal begleitet vom Piano intoniert der Chor klassische und geistliche Werke. Auch hier füllen knapp 50 Personen die Sitzreihen der Kirche. Ob dem Konzert lauschend oder im Schein der Laternen vor der Kirche sitzend, es wäre ein idealer Platz um zur Ruhe zu kommen und den Abend ausklingen zu lassen. Leider hatte ich aber erst die Hälfte meines Vorhabens in die Tat umgesetzt, so dass es der Verlockung zu widerstehen galt. Tröstlich war, dass zumindest die Wege zwischen den vier verbleibenden Kirchen immer kürzer würden.

Im Dunkel des Domes

Zwischen den langsam ausströmenden Nachtschwärmern bahne ich mir meinen Weg durch die Innenstadt hin zur Reformierten Domgemeinde. Bereits vor dem von außen etwas unscheinbaren Sakralbau scheinen sich die Fahrräder zu stapeln. Sie sind so eng gestellt, dass ein einzelnes stürzendes Fahrrad einen Dominoeffekt nach sich zieht - dem Verursacher sichtlich peinlich.

Was der erste Eindruck von außen vermuten lässt, bestätigt sich beim Blick in den Dom. In den gut gefüllten Bänken sitzen Menschen, die sich in Richtung einer Leinwand ausgerichtet haben. Das mag erst einmal nicht sonderlich ungewöhnlich anmuten. Wer aber das Kirchgestühl im Dom kennt, weiß, dass dies den Gästen in einigen Reihen eine nicht unbeachtliche körperliche Gewandtheit abverlangt.

Langsam verdunkelt sich der Raum. Das Licht des Beamers beginnt zu flackern, sepiafarbene Bilder erhellen die Leinwand. Im Dom wird der „Golem“, ein Stummfilm aus dem Jahre 1920, gezeigt. Als sich die ersten Bilder zu bewegen beginnen, durchbrechen monotone Paukenschläge die Stille. Langsam setzt Orgelspiel ein. In der Mitte des Kirchraums sitzt Gerhard Noetzel. Im spärlichen Lichterschein begleitet der Domkantor das filmische Meisterwerk an Orgel und Schlaginstrumenten. Darauf bedacht bloß nichts umzuwerfen, erspüre ich mir den Weg aus dem Dunkel des Kirchraumes nach draußen, um ein weiteres Mal eine andere Kirche anzusteuern.

1 von 1.000

Über 1.000 Gäste hatten zur 18. Kirchennacht den Weg in die Moritzkirche gefunden. Ich war auch einer von ihnen. Einen erheblichen Einfluss auf dieses immense Publikumsinteresse hatte „GoSpiRo“. Der Projektchor, der sich dem Gospel und spirituellen Rock verschrieben hat, feierte im Garten der katholischen Kirche den Abschluss seiner aktuellen Tour. Mit seinen Gospel- und Funkrhythmen brauchte „GoSpiRo“ nicht lange, bis die Zuhörerinnen und Zuhörer in rhythmisches Klatschen und Mits(ch)wingen verfielen. Das Licht, das Garten und Teile der Moritzkirche in bunte Farben tauchte, sorgte zusätzlich für eine beeindruckende Atmosphäre. Gefangen vom Ambiente und Musik bemerkte ich fast nicht, dass ich die Zeit allmählich aus den Augen verlor. Glücklicher Weise war mein nächstes Ziel nur einen Steinwurf weit von der Moritzkirche entfernt.

Sichtbare Hoffnung

Jedes Jahr bereitet sich die Evangeliumsgemeinde in der St. Georgenkirche sieben Tage lang auf diesen einen Tag vor. Innerhalb dieser Woche haben die Gemeindeglieder den Garten hergerichtet, Bars und Bühne aufgebaut, Sand aufgeschüttet, Blumen drapiert und künstliche Wiesen arrangiert. Und nirgendwo war das Thema der diesjährigen Kirchennacht, „Die Kunst zu hoffen.“ präsenter, als hier. Ob das große Banner über dem Eingangstor, die Garteninstallation im Inneren der Kirche oder die kleinen Gastgeschenke („Samenbomben“), überall ließen sich Verbindungen zum Motto der HALLESCHEN NACHT DER KIRCHEN finden.

Mitglieder der Gemeinde stehen überall bereit, um sich mit ihren Besucherinnen und Besuchern über erfüllte und enttäuschte Hoffnungen auszutauschen. Einer, der genau zuhört, ist Henry Marten. Im Schein der Fackeln schwärmt der Pastor der Gemeinde von den „vielen guten Gesprächen, an diesem Abend.“ Er zeigt auf die voll besetzten Tische und sagt: „Von diesen Leuten kenne ich nur zwei oder drei aus unserer Gemeinde. Der Rest sind alles Gäste, die ich vorher noch nie gesehen habe.“ Die – fast schon überflüssige Frage – ob er beim Blick in den menschengefüllten Garten zufrieden sei mit dem heutigen Abend, wiegelt Henry Marten ab. Für ihn ist das weniger eine Frage der Anzahl, sondern vielmehr eine Frage der Qualität dessen, was diskutiert und besprochen wurde. Und das war gut – sagte er und war schon wieder am nächsten Tisch.

Showdown im Stadtzentrum

In der Hoffnung, noch ein paar abschließende Orgeltöne in der Ulrichskirche mitzubekommen, schwinge ich mich ein letztes Mal auf das Rad. Im Vorbeifahren an der Moritzkirche, aus deren Garten auch jetzt noch Gospelmusik auf die Straße schallt, beobachte ich, wie immer noch Menschen dem Klang der Musik ins Gotteshaus folgen.

Wenige Minuten später stehe auch ich dann vor einer Kirchtür. Leider sind die Pforten der Ulrichskirche bereits geschlossen, was der Blick auf die Uhr auch erklärte. So endete meine Tour - etwas ungeplant - in der Marktkirche „Unser lieben Frauen“. Ich nutze die letzten Minuten der 18. Kirchennacht, um mir hier die Ausstellung „Ein- und Ausblicke der Marktkirche“ anzuschauen. Sehenswert sind besonders die schwarz-weiß Bilder, Blicke auf die halleschen Dächer der 70er und 80er Jahre. Die Fotos aus Zeiten, in denen Farbfilme noch rar und teuer waren, beeindrucken nicht nur durch die besondere Ästhetik, sondern sind auch beeindruckende historische Zeugnisse der jüngeren Vergangenheit. Wer in den kommenden Wochen in der Nähe der Kirche ist, sollte sich unbedingt Zeit für diese kleine Geschichtsreise nehmen.

Fazit

Die 18. HALLESCHE NACHT DER KIRCHEN war wieder ein eindrucksvolles ökumenisches Sommerfest. Die Gesichter der Menschen, denen ich begegnete und mit denen ich reden durfte, sprechen dafür, dass ich mit dieser Einschätzung nicht alleine stehe. Ich erinnere mich an die erwartungsvolle Petronella Stoica, den gutgelaunten Pfarrer Kasparick, den scherzenden Kantor Mücksch, den ausgelassenen „GoSpiRo“-Chor, den beseelten Pastor Marten und viele weitere kleine Begegnungen, die mich hoffen lassen, dass auch andere ein paar schöne Stunden bei der Kirchennacht verbringen durften. Ohne das immense Engagement der Gemeinden wäre das nicht möglich gewesen. Daher sage ich auch im Namen aller Besucherinnen und Besucher der Kirchennacht:

Danke an alle Haupt- und (ganz besonders) Ehrenamtlichen, die diese Kirchennacht möglich gemacht haben. Ihr seid großartig!

Weitere Bilder von der 18. Kirchennacht...

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