Kirchenkreis Halle/Saalkreis, Superintendent Hans-Juergen Kant
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22.08.2021
„Entschuldigung. Können Sie mir vielleicht sagen, wo es hier zum Elster-Radwanderweg geht?“, nimmt eine Frau am Bahnhof Schkeuditz-West vorsichtig Kontakt zu mir auf. Vielleicht haben Fahrrad, Ausrüstung und der abgleichende Blick vom Handy in Richtung Flusslauf mich verraten?! Schnell stellen wir beide fest, dass uns ein gemeinsames Vorhaben verbindet: die erste Radtour zur Kirchennacht. Spontan beschließen wir, die individuell geplante Tour zu einem gemeinsamen Ausflug zu machen. Dank der mitgeführten App erreichen wir schnell den Fluss, der uns von nun an bis kurz vor Halle begleiten sollte.
Auf gut asphaltierten Wegen radelt es sich leicht bis nach Raßnitz-Weßmar, unserer ersten geplanten Station. Unterwegs lernen wir uns besser kennen. Sie erzählt mir von den Mühen im Call-Center, der Freude über das neue Fahrrad, der Idee, die Radtour zur Kirchennacht allein anzugehen, und den Freundinnen, die das Glas Wein in St. Georgen den Strapazen der Strampelei vorzogen. Mit jedem Kilometer fallen die anfängliche Aufregung und die Last der Arbeitswoche zusehends ab. Irgendwann bekennt meine Begleitung, dass diese Tour wie eine kleine Auszeit für sie sei und lächelt mit der Sonne um die Wette.
Wir sind nicht die ersten, die es mit dem Rad an die Barockkirche in Raßnitz-Weßmar verschlagen hat. Trotzdem findet sich auch für uns noch ein Plätzchen zwischen den parkenden Fahrrädern. Während vor der Kirche Menschen auf Bierzeltgarnituren ihren kühlen Wein in der milden Sommerwärme genießen, amüsieren sich Besucherinnen und Besucher im Inneren des Gotteshauses über die ausgestellten Karikaturen. Auf zwei Ebenen präsentierte der Förderverein die Cartoon-Ausstellung „Oh mein Gott!“. Mit derartigen Aktionen versuchen die ca. 40 Personen des Vereins Gelder für den Erhalt ihrer Kirche zu akquirieren. Noch haben die Gästezahlen nicht das „Vor-Corona-Niveau“ erreicht, aber ein langsamer Anstieg sei wieder zu beobachten, erzählt man mir bei einem Glas Apfelsaftschorle.
Unterdessen füllen sich in der Kirche die Bankreihen in Erwartung des musikalischen Höhepunktes. Angekündigt war der Bratschist Ulrich von Wrochem. Bevor der Musiker Werke von Johann Sebastian Bach zu Gehör brachte, präsentierte er dem Publikum die besondere Bemalung seines Instrumentes. Nach seiner Kenntnis seien die vier Abbildungen auf der Oberseite der Bratsche in solch einer Ausführung einzigartig.
Kurz lauschen meine Begleiterin und ich dem Musiker, besteigen dann aber doch noch vor Ende des Anspiels unsere Räder und steuern die nächste Station an.
Vorbei geht der Weg an einer Schafherde, einer Pferdekoppel und einem einsamen Storch, der – so meine Vermutung - in seinem sehr spärlichen Nestbau vergeblich auf eine Partnerin warten wird. Begleitet vom Klang des Lochauer Geläuts, steuern wir gemütlich radelnd die Döllnitzer Kirche an. Anders als an unserer vorherigen Station geht es hier etwas ruhiger zu. Das gibt Sylvia Selle, Mitglied des Döllnitzer Fördervereins, die Möglichkeit ihre Gäste persönlich zu begrüßen.
Klaviermusik aus der „Konserve“ sorgt für eine meditative Stimmung im Kirchraum. Ein hohes Holztonnengewölbe überspannt die Emporen. Beim Blick nach oben lassen sich die Reste des Deckengemäldes leider nur noch erahnen. Auch die baulichen Mängel am Gewölbe und an der Wand sind nicht zu übersehen. „Bevor wir nicht die Decke saniert haben, brauchen wir das andere gar nicht erst anzugehen.“, sagt Sylvia Sölle. Dafür fehlen aber leider die notwendigen personellen als auch finanziellen Ressourcen, erzählt sie weiter. Auch wenn sie selbst nicht kirchlich angebunden sei, verbindet Sylvia Sölle viele schöne Erinnerungen mit dem Sakralbau. Die Kirche ist daher nicht nur ein Teil der Döllnitzer Geschichte, sondern auch ihrer eigenen Biografie.
Als meine Gefährtin und ich unsere Räder in Richtung Radewell in Bewegung setzen, erreichen weitere Radler die Döllnitzer Kirche.
Führte uns der Weg bislang nah am Wasser entlang, erreichen wir nun die Hauptstraße in Richtung Halle. Glücklicher Weise gibt es bis zum Ortseingang Halles einen separaten Radweg in sicherer Entfernung zu den motorisierten Verkehrsteilnehmern. Mit Beginn der Händelstadt bleibt uns allerdings nichts weiter übrig, als die öffentliche Straße zu nutzen – ärgerlich, weil es eigentlich einen Radweg gibt, dieser aber in einem katastrophalen Zustand ist und regelmäßig von transportablen Verkehrsschildern und parkenden Autos blockiert wird.
Mittlerweile sind seit unserem Tourstart 2 ½ Stunden vergangen und die wärmende Sonne verschwindet allmählich am Horizont. Mit der anbrechenden Abendstimmung kommen auch immer mehr summende Plagegeister aus ihren Verstecken. Fast unmöglich war der Versuch sein Fahrrad sicher anzuschließen, ohne von Mückenschwärmen malträtiert zu werden. Glücklicher Weise findet man im Radeweller Gotteshaus ein wenig Schutz vor den lästigen Blutsaugern.
In sicherer Entfernung zu den Mücken komme ich mit Simone Schulze ins Gespräch. „Bis jetzt hat es sich immer gelohnt, die Kirche zu öffnen“, erzählt die Gemeindekirchenrätin aus Radewell. Seit Jahren organisiert sie die Kirchennacht vor Ort. Sie ist damit eine von über 100 Ehrenamtlichen, die jedes Jahr ihren Teil zum Gelingen der Großveranstaltung beitragen. Auch „die gute Seele an der Orgel“, wie Simone Schulze die Organistin Annerose Adler nennt, spielt im Rahmen ihres Ehrenamtes für die Gäste auf. 20 Minuten dauert das Anspiel, währenddessen meine Tourbegleitung und ich ein letztes Mal gemeinsam aufbrechen.
Es ist nicht einfach, die versteckte Kirche der Armenischen Gemeinde zu finden. Schnell übersieht man das Gittertor und das im Innenhof befindliche Gotteshaus. Wer aber fündig wird, bereut es nicht den Elster-Rad-Wanderweg für diesen Abstecher kurz verlassen zu haben.
Ins Priestergewandt gekleidet begrüßt der örtliche Geistliche seine Gäste. Schnell kommt man ins Gespräch: über die Bedeutung Halles für die Armenische Kirche, Unterschiede zu anderen christlichen Konfessionen und die Geschichte und Besonderheiten der hiesigen Armenischen Kirche. Wer einen Blick in das Gotteshaus wirft wird überrascht - vielleicht auch ein wenig enttäuscht - sein. Sieht man von einigen Bildern und dem Altarbereich einmal ab, wirkt der Kirchraum eher schlicht. Das ist auch nicht ungewöhnlich für armenische Kirchenbauten. Seine Begründung findet sich in der Historie des armenischen Volkes, erklärt man mir. Einen Großteil der Geschichte unter Besatzung stehend, fehlten die Mittel für eine prachtvolle Ausgestaltung, wie man sie oft bei anderen orthodoxen Kirchen beobachten kann. Trotzdem findet man auch kleine Schätze in der Kirche, erzählt der armenische Priester. Am Morgen, so sagt er, werde das Licht der aufgehenden Sonne in den farbigen Steinen in der Ostwand so gebrochen, dass es den Raum in eine besonders eindrucksvolle Stimmung versetze.
An der armenischen Surp Harutyun, der Heiligen Auferstehungskirche, findet unsere gemeinsame Reise ihr Ende. Während ich noch ein paar letzte Fotos schieße, schlägt meine Begleitung den Weg in Richtung zu Hause ein.
Auf dem letzten Teilstück der Radtour wird der Weg noch einmal schotterig. Aber auch im Licht der einbrechende Dunkelheit kann man immer noch Schönheit dieses Streckenabschnittes bewundern.
Noch ein paar Mal auf und ab, dann ist das Ziel der heutigen Tour in Sichtweite. Nach drei Stunden bzw. 90 Minuten reiner Fahrzeit erreiche ich die St. Elisabeth-Kirche in Halle-Beesen. Ein letztes Mal ist Zeit für Besichtigung und Gespräche sowie eine kleine Stärkung vor Ort, bevor mich mein Rad in Richtung heimatlicher Innenstadt trägt. Der finale Stopp in der Marktkirche mit einer Besichtigung der Baustelle darf natürlich nicht fehlen.
Haben Sie Lust bekommen diese 24 km lange Tour selber einmal nachzufahren? Den Streckenverlauf können Sie sich unter https://t1p.de/zgw5 (komoot) herunterladen. Inhaber eines Pro-Accounts können sich sogar per App navigieren lassen. Die Wege sind größten Teils asphaltiert und gut befahrbar.
Danke an alle Menschen vor Ort, die mich so freundlich aufgenommen haben, für alle geführten Gespräche und die angebotene Stärkung. Dank auch an meine nette Begleiterin, durch deren Perspektive ich viele Dinge nochmals neu entdecken durfte.
Mein besonderer Dank gilt aber allen Ehrenamtlichen, die diese Kirchennacht - auf und abseits der Radtour – wieder zu einem so tollen Erlebnis gemacht haben.
Bis 2022…